Frau Brüllen fragt an jedem 5. eines Monats: „Was machst du eigentlich den ganzen Tag?“ Und das Internet antwortet, ganz in bester Tagebuch-Manier.
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Der Wecker klingelte um halb acht. Ich hörte noch ein wenig Radio, bevor ich mich um kurz vor acht duschte und in tagesübliche Form brachte. Danach trank ich meine erste Tasse Kaffee aus der neuen Packung. Ich hatte mir vor einiger Zeit drei kleine Päckchen aus verschiedenen Kaffeeanbauländern gekauft und dieses war die letzte davon. Der kenianische Kaffee ist erstaunlich mild und nicht so bitter wie die äthiopische Variante. Kaffee aus Kolumbien ist eher mittelspannend. Jedenfalls machte mich der Kaffee sehr, sehr wach. So wach, dass ich mich schnell an den Schreibtisch setzte, um die in den vergangenen Tagen zusammengetackerten 10.000 Zeichen plus Erklärkästen und Statistiken noch einmal gegenzulesen und diverse kreative Satzbaukonstrukte in ihre grammatikalische Handelsüblichkeit zu ändern. Manchmal frage ich mich ja schon, ob die drei Sprachen, in denen ich derzeit zuhause bin, einen schlechten Einfluss auf meine Muttersprache haben.
Gegen zehn schickte ich den Artikel samt Fotos an die Redaktion und hoffe, er gefällt. Ich habe mir eine Menge Arbeit damit gemacht, aber viel Spaß gehabt. Danach schrieb ich ein wenig ins Internet und ärgerte mich über Genderdiskussionen, die sich derzeit in polemischem Aufeinanderdraufhauen erschöpfen anstatt wirklich produktive Änderungen herbeizuführen. Mittendrin begann ich mich auch noch über eine emotionale Verwicklung zu ärgern, die ich mit der puren Lust an der Zerstörung herbeigeführt hatte und die mir in der derzeitigen Form weher tut als ich möchte. Aber diese Suppe muss ich selbst auslöffeln.
Um viertel nach elf rief mein Stiefvater vom Flughafen aus an. Er ist auf dem Weg nach China, diesmal als frischer Neu-Rentner, aber bis Ende des Jahres noch als Nutznießer der Lounge-Berechtigung des bisherigen Executive-Arbeitslebens. Wir plauderten ein wenig und ich berichtete ihm von meinem derzeitigen Zustand des In-der-Luft-Hängens und der damit verbundenen Panikattacken. Ihm als globalem Bürger ist diese Situation nicht ganz unbekannt, obwohl für ihn immer alles die Firma in die Wege leitete, während ich alles alleine stemmen muss. Bislang gelingt es mir noch, aber ich merke, wie viel Energie ich aufwende, um mich zu organisieren und alles fristgemäß fertig zu bekommen.
Um zwölf aß ich einen Käsetoast, eingedenk der Tatsache, dass ich abends noch essen gehen würde. Damit brauchte ich auch den letzten Rest meiner Vorräte auf und ging einkaufen. Im Supermarkt waren überwiegend sendungsbewusste Menschen unterwegs, was mir die Aussicht auf eine später dräuende Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel überaus unangenehm scheinen ließ.
Wieder zuhause verstaute ich das Eingekaufte und machte mich an einen fertig zu stellenden Text. Gegen vier wollte ich eigentlich eine kleine Joggingrunde einlegen, aber es find an wie aus Strömen zu regnen. Also verzichtete ich darauf und setzte mich noch einmal an den Text. Um viertel vor sechs warf ich mir ein Kleidchen über und machte mich auf den Weg zu meiner Abendessenverabredung. Wir aßen vorzüglich chilenisch, tranken Austral-Bier und Pisco Sour dazu und plauderten über Gott und die Welt oder doch eher über die Welt, denn mein Begleiter war ein weitgereister und gebildeter Mensch mit skurrilen Hobbies und einem überaus angenehmen Humor. Wie schade, dass wir uns sehr lange nicht mehr sehen werden.
Gegen elf war ich zuhause, schrieb diesen Text zu Ende und ging ins Bett.